Um Trost war mir sehr bange

Zuviel an Grausamkeiten – zu viel, als dass meine Seele das verkraften könnte!
Ungebremst erreichen uns Unmenschlichkeit und Gewalt in einer Welt, in der wir so nahe zusammen gerückt sind. Schmerz und Leid schier unerträglich.

Zu groß scheint der Schmerz – zu groß das Leid,

als dass irgendetwas oder irgendeine(r) trösten könnte!








Der Seele 
schützend einen 
Mantel 
umlegen

Drei Frauen – unterwegs – ins Nichts.
Verwitwet und damit in ihrer Zeit ohne rechtliche und wirtschaftliche Absicherung.
Sie haben nur sich – mehr nicht.

Hier beginnt Marc Chagall zu malen, wo die Worte fehlen:
Sie stehen beieinander, die drei Frauen.
Ihre Gesichter spiegeln wider, welchen Schmerz sie erfahren haben.
Sie halten einander, sie stützen einander. Jede die andere.
Beieinander. Nicht allein.

Es ist tröstlich – dieses Bild.
Wie der Mantel, der sich um die verletzten Seelen der drei Frauen legt.

Adon Olam

Existenzängste, Gewalterfahrungen, Verzweiflung, Tod …
die alte biblische Geschichte von Naomi ist wie ein Spiegel für die Erfahrungen unserer Tage – in der Ukraine, im Nahen Osten – vielleicht vermag uns dieser Spiegel zu sehen helfen, wie wir aus der Schockstarre herauskommen, wie wir weitergehen, wie wir einander trösten können.

Gemeinsam auf jeden Fall, gemeinsam weitergehen. Immer wieder der Angst etwas entgegensetzen können: Sich immer wieder vergewissern: Ich bin nicht allein. Immer wieder neu den Mantel um die geschundene Seele legen.


Doch woher kommt die Kraft dazu?


Ich höre eine Freundin erzählen, wie sie Kraft schöpft, wenn sie am Wasser entlang läuft – den Blick in die Weite des Meeres und des Himmels gerichtet –
ein anderer spricht davon, wie er sich auspowert – bis an die Grenzen des Belastbaren – und ein wenig Ruhe findet.

Die Natur als etwas, was umfassender, größer als wir selbst ist, kann trösten:
Es ist, als dehne sich mit unserem Körper auch unsere Seele, die soeben noch in der Enge ihrer Fixierung auf das eigene Leiden gefangen war, in die Rhythmen des Meeres hinein, in die Bewegung unserer Schritte, in die duftende Atmosphäre des Waldes, in die Weite einer freundlichen Gebirgslandschaft. Für eine Weile fühlen wir uns aufgehoben.

Für mich selbst ist auch die Musik eine Quelle des Trostes: Von den Klängen sich getragen zu wissen, erlaubt meiner Seele ein Aufatmen. Auch hier öffnet sich meine Seele. Erst vor wenigen Tagen durfte ich das wieder erleben: Im kleinen Kreis unserer ‚Musiker-Freundinnen und Freunde‘ haben wir einander Töne/Lieder geschenkt. Und wo Worte fehlen, da fangen Töne mich auf.

So tritt zu den Tönen die Nähe freundlich zugewandter Menschen, die zu trösten vermag.

Trost – das ist wie der Mantel, der sich schützend um meine Seele legt.
Die Natur, die Musik, die zugewandten Menschen – diese alle und wohl für jede und jeden selbst vielleicht noch anderes – diese alle eignen sich zu der Ummantelung der Schmerzen.

Tristan und Isolde

Naomi, Ruth, Boas und der ihnen geborene kleine Obed leben das, was ich mir zum Trost wünsche:
Menschen an meiner Seite, die den Schmerz mit mir aushalten. Die mich nicht mit billigen Worten vertrösten. Die nach Lösungen aus schwierigen Lebenssituationen suchen. Die mit mir weinen. Und die mich erfahren lassen, dass inmitten allen Leids ein Gott da ist, der mich nicht loslässt.


Ja – nach Trost ist mir immer noch bange.
Aber ich will darauf vertrauen, dass es eine Zukunft gibt –
für mich und für meine Lieben und für die an Leib und Seele Verletzten, ob in der Ukraine oder im Nahen Osten oder sonst wo auf dieser unserer Welt.

Glauben lernen?

Heute geht es um die alte Geschichte von Abraham, der am Anfang noch Abram hieß.
Abram war reich. Er lebte südlich der Stadt Ur am unteren Lauf des Tigris im heutigen südlichen Irak. Er hatte eine riesige Viehherde und auch viele Viehzüchter, die für ihn arbeiteten. Er hatte zwei Brüder, der eine war früh verstorben, aber dessen Sohn Lot hatte auch eine sehr große Herde. Mit diesen beiden Viehherden lebten sie gut am Rand der ältesten Kultur im Zweistromland.

Abram war schon über 50 Jahre alt, verheiratet mit seiner Frau Sara, sie hatten aber keine Kinder bisher. Eines Tages spricht Gott zu ihm: ‚Abraham, zieh hier weg in ein Land, das ich dir zeigen werde, und du wirst dort so viele Nachkommen haben, wie Sterne am Himmel sind.‘
Eigentlich war das nicht mehr als eine Richtungsansage: Abraham sollte durch die jordanisch, syrische Wüste und das Land, das Gott  zeigen wollte, lag dahinter. Das aber kannte Abram nicht. Er muss also in ein unbekanntes Land weiterziehen, durch eine für seine Herden sicher viel zu trockene Region.

Wir erfahren leider in der Bibel nicht, wie Gott zu ihm gesprochen hat. Manchmal spricht Gott durch Menschen, manchmal durch Erlebnisse, manchmal durch Träume – vielleicht war’s auch eine Mischung von allem. Wir wissen es nicht. Aber er hatte den Eindruck, dass Gott zu ihm gesprochen hatte.

Und jetzt bitte ich: Stellen Sie sich vor, Sie sind Abram. Stellen Sie sich vor, Sie wären über 50 Jahre alt, verheiratet, kinderlos und Gott würde Ihnen auf irgendeine Weise sagen, Sie sollen die Heimat verlassen und durch die Wüste in ein neues Land ziehen. Was würden Sie denken? Was würden Sie tun?

Antworten der Gottesdienstbesucher sammeln und auswerten.

Wir sehen es gibt viele Möglichkeiten: Einige sind ganz überzeugt davon und sie wollen sofort losziehen, andere zögern oder sind misstrauisch. Man weiß ja nie ganz genau, ob es wirklich Gott ist, der zu mir spricht. Und keiner weiß, was einen hinter der Wüste erwartet.

Abram tut, was er meint, tun zu müssen. Er zieht los auf die Verheißung hin. Das ist sicher eine Facette vom Glauben des Abram.

Ich verstehe:
Zum Glauben gehört das Hören auf Gottes Wort genauso wie das daraufhin entschlossene Handeln.

Abram zieht also durch die Wüste. Sein Neffe Lot schließt sich ihm mit seiner Herde an. Mit der Zeit und wahrscheinlich nach vielen Strapazen kommen beide irgendwann im fruchtbaren, aber schon bewohnten Jordantal an. Auf der anderen Seite im Süden von Galiläa finden sie gutes freies Weideland. Aber die Hirten von Lot und von Abram streiten sich dauernd. Die Herden kommen durcheinander, die eine Herde frisst der anderen das Gras weg, man schimpft und es kommt sogar zu kleinen Gewalttätigkeiten zwischen den Hirten. Abram und Lot setzen sich zusammen. Sie einigen sich: Man muss die Bereiche für die Herden aufteilen. Einer muss nach Norden, der andere nach Süden weiterziehen. Abram bietet Lot folgendes an: Such du dir aus, ob du nach Süden ziehen willst, dann ziehe ich nach Norden. Wenn du aber nach Norden ziehst, ziehe ich nach Süden. Lot sieht sich das Land an. Im Norden ist die relativ steinige, judäische Wüste, mit vielen Quellen dazwischen und einigen Bereichen, wo man Vieh halten kann, aber das Land im Süden, das an die hohen Berge des Libanon grenzt und von dort aus viel Wasser hat, ist sicher fruchtbarer.

Und jetzt stellen Sie sich vor, Sie wären Lot. Sie müssen jetzt entscheiden: Nehme ich das Land im Norden oder im Süden?

Antworten der Gottesdienstbesucher sammeln und auswerten.

Wir sehen, Abram ist ein großzügiger Mensch. Im Gegensatz zu Lot bietet er an, auch den schlechteren Teil eventuell zu nehmen und darauf zu vertrauen, dass Gott mit ihm geht und ihm die Nachkommenschaft geben wird, die in dem Land dann leben kann, so wie Gott es versprochen hat.

Ich verstehe:
Zum Glauben gehört Großzügigkeit.

So kommt Abraham nach Hebron, einige Kilometer nördlich des heutigen Jerusalem. Hebron war damals schon eine kleine Siedlung, umgeben von Wiesen und Feldern, wahrscheinlich wenig Ackerbau, damals hauptsächlich Viehzucht und grenzt schon fast an die Wüste Sinai.

Im Ort siedeln die Hethiter, ein Volksstamm, der eigentlich in der südlichen Türkei lebte, aber an vielen Stellen  Handelsstationen errichtet hatte. So bleibt Abram Gast in einer fremden Umgebung. Er hat auch in der Stadt gar nicht gewohnt, sondern blieb mit seinen Zelten vor den Toren der Stadt. Seine Viehherde wuchs, und es ging ihm und seiner Frau Sara gut, aber sie hatten immer noch kein Kind. Sarah schien unfruchtbar zu sein. Und da beschließt Sara etwas, das uns komisch vorkommt, aber vielleicht aus ihrer Sicht erst mal logisch erscheint, wenn Abraham von ihr keine Kinder kriegt. Vielleicht sollen die versprochenen Nachkommen ja von einer anderen Frau sein. Also sagt sie zu Abram: „Geh doch zu unserer ägyptischen Skavin Hagar und schlaf mit ihr, vielleicht könnt ihr zusammen einen Nachkommen zeugen.“ Und genau das passiert. Abram bekommt von der Hagar ein Kind, einen Sohn: Ismael. Aber danach passiert etwas, womit Sara nicht gerechnet hat. Hagar fühlt sich jetzt wie die Herrin im Haus. Sie hat den Nachkommen geboren und wird überheblich. Meint jetzt im Haushalt von Sara bestimmen zu können. Abram, darauf angesprochen, erlaubt Sara, darauf so zu reagieren, wie sie es für richtig hält.

Und jetzt stellen Sie sich bitte vor, Sie wären Sara. Wie würden Sie sich fühlen, wenn jetzt Hagar sich wie die rechtmäßige Herrin aufspielt im Haus und wie würden Sie über ihren damaligen Entschluss vielleicht im Nachhinein denken? Was würden Sie mit Hagar machen?

Antworten der Gottesdienstbesucher sammeln und auswerten.

Sara jagt Hagar fort in die Wüste. Aber Gott schickt Hagar einen Boten, der ihr zusagt, das auch auf ihr und ihrem Sohn Segen liegt und auch Ismael zum Vater vieler Völker werden wird. Abram lebt wieder mit Sarah zusammen. Er kann diese in seinen Augen seltsame Entscheidung nicht rückgängig machen. Aber er liebt Sara und bleibt mit ihr zusammen. Die beiden bekommen tatsächlich noch einen Sohn: Israel. Israel ist der spätere Stammvater des jüdischen Volkes. aber auch Ismael wird zum Stammvater, auf den sich später die ganze muslimische Welt als Nachkommen berufen wird.

Beide Söhne Abrahams haben so heute fast eine Milliarde Nachkommen. Und das sind viel mehr als wir Sterne am Himmel sehen können. Die Verheißung ist also mehr als erfüllt worden, auch weil Abraham über diese harte Entscheidung von Sara hinweg sehen konnte und sie wieder als seine Frau annehmen konnte.

Ich verstehe:
Zum Glaube gehört: Entscheidungen anderer akzeptieren und vergeben können.

Sara und Abram, der jetzt Abraham, der Vater der Völker genannt werden kann, nachdem er zwei Söhne, Israel und Ismael, hat. Er lebt noch eine lange Zeit mit Sara zusammen, als Nomaden in der Region um Hebron. Aber irgendwann stirbt Sarah vor ihm, und er möchte sie würdig, beerdigen und an einem festen Platz und nicht irgendwo, wo sie gerade ihr Zelt aufgeschlagen haben. So wendet er sich an die Hethiter in der Stadt Hebron, mit der Bitte dort einen größeren Platz für ein Grab für Sara und später auch für sich kaufen zu können. Für die Hethiter war diese Bitte sicher sehr ungewohnt, denn Abraham war ein Fremder, der aus einer andere Kultur kommt und eine andere Sprache spricht.

Stellen Sie sich bitte vor, sie wären der Statthalter dieser Stadt Hebron und müssten darüber entscheiden, ob diese Nomaden jetzt einen festen Platz mitten in ihrer Ortsgemeinde Hebron kaufen dürfen.

Antworten der Gottesdienstbesucher sammeln und auswerten.

Nicht selbstverständlich nimmt die Geschichte ihren Lauf. Die Hethiter kommen ihm entgegen, sie sind so erfreut, dass er sich in dieser Stadt fest ansiedeln möchte, dass sie ihm das Grundstück sogar schenken. Sara wird dort beerdigt. Das Grab wird gleich so hergerichtet, dass es später auch das Grab Abrahams wird und bis heute wird es von Juden und von Muslimen in Hebron als das Grab ihres Stammvaters verehrt.

Ich verstehe:
Glauben heißt, sich so zu verhalten, dass man selbst unter Fremden willkommen ist.

Die Verheißung, so viele Nachkommen wie Sterne am Himmel zu haben, ist zumindest, was die für ihn sichtbaren Sterne anging, weit übertroffen. Heute zählen sich 20 Millionen Juden, fast 1 Milliarde Muslime, ungefähr 2 Milliarden Christen, die Paulus als die Adoptivkinder Abrahams bezeichnet, als Nachkommen Abrahams.

Der entscheidende Satz des heutigen Predigttextes lautet:

Gott sah den Glauben von Abraham und nahm ihn als gerecht auf.

Paulus wird später diesen Satz genau benutzen, um zu begründen, dass man auch wie Abraham, ohne Beschneidung und ohne die jüdischen Gesetze zu kennen, ein Glaubender sein kann, und von Gott für gerecht gehalten wird. Und so sind wir Christen als Adoptivkinder letztlich auch Kinder Abrahams.

Zu der Grundfrage zurück. Was ist Glaube?  Ich denke, es gehört vieles dazu.

Zuerst das Hören, das Empfindsam-Sein für das Wort, das vielleicht von Gott kommt, das Wort, das für mein Leben entscheidend ist, das Wort, nach dem ich mich ausrichten kann. Da gehört auch Neugier dazu, dass man zuhören möchte, aber dann auch das man tut, was man erkannt hat. Und da gehört jetzt Mut und Willensstärke dazu. Da geht es um Kraft und Energie.

Aber wenn es manchmal mehrere Möglichkeiten gibt und die eine Möglichkeit jemandem Schaden zufügt, dass man dann auch verzichten kann, dass man großzügig sein kann und den vielen Lots in unserem Leben den besseren Teil überlassen und anderen auch mal das bessere Stück zuschieben kann.

Und auch, dass man Entscheidungen und selbst die harte Entscheidung von Sara, im Nachhinein nicht kritisiert, sondern stehen lässt und verzeiht und neu anfängt und Beziehungen, die lange Zeit gehalten haben, nicht einfach abbricht.

Und zuletzt, dass man auch als Fremder in einer neuen Welt so lebt, dass die anderen erfreut sind, weil ihr Leben bereichert wird

Das alles macht Glauben aus, zumindest ist das der Stand meiner Erkenntnis.

Und dieser Glauben macht uns gerecht vor Gott.

Hört als Abschluss noch mal den vollständigen Bibeltext:  Genesis 15, 1-6

Nach diesen Ereignissen kam das Wort des Herrn in einer Vision zu Abram: »Fürchte dich nicht, Abram! Ich selbst bin dein Schild. Du wirst reich belohnt werden.« Abram erwiderte: »Herr, mein Gott! Welchen Lohn willst du mir geben? Ich werde kinderlos sterben, und Elieser aus Damaskus wird mein Haus erben.« Weiter sagte Abram: »Du hast mir keinen Nachkommen gegeben, deshalb wird mich mein Verwalter beerben.« Da kam das Wort des Herrn zu Abram: »Nicht Elieser wird dich beerben, sondern dein leiblicher Sohn wird dein Erbe sein.« Dann führte er Abram nach draußen und sagte: »Betrachte den Himmel und zähle die Sterne – wenn du sie zählen kannst!« Er fügte hinzu: »So zahlreich werden deine Nachkommen sein.«
Abram glaubte dem Herrn, und das rechnete ihm Gott als Gerechtigkeit an.Amen.

Musikalisches Zeit- Zeichen

Klimawandel und Ukraine-Krieg waren die bestimmenden Themen des diesjährigen Kirchentages in Nürnberg. ‚Jetzt ist die Zeit‘ – der Kirchentag lässt innehalten, macht aufmerksam, sucht nach Veränderungen. Einen humorvollen, sehr persönlichen Beitrag dazu brachte das Kabarett von Christoph Reuter:

„Musik macht schlau (außer manche)“

…………. und setzt
in Bewegung

…… Kopf, Hände ……
… Tasten und Füsse …

Auf Zuruf nimmt Christoph Reuter die Ziffern eines Geburtsdatums auf und gibt jeder Ziffer einen Ton: – 28.10.1950 – Wolfgangs Geburtstag –

Wie lange noch?

„Jetzt ist die Zeit
Das Thema des diesjährigen Kirchentages in Nürnberg war Zeitansage. Es ist Zeit. Zeit aufzuwachen – Zeit, dem stetig fortschreitenden Klimawandel entgegenzutreten – Zeit, Unrecht beim Namen zu nennen und nicht wegzuschauen, wo Menschen mit Füssen getreten werden und Gewalt Leben unwiederbringlich auslöscht.

Jetzt ist die Zeit.
Etwas zu tun und nicht zu verzweifeln angesichts der riesigen Aufgabe, die vor uns liegt.

So ähnlich müssen es damals die Wüstenwanderer an der Schwelle zum versprochenen Land auch gefühlt haben.

Aber lasst mich die alte Geschichte von Anfang an erzählen:

Lange hatten sie in Ägypten gelebt – als Sklaven des Pharao hatten sie jegliches Recht auf Selbstbestimmmung verloren. Zu lachen hatten sie schon lange nicht mehr. Dann kommt der Abend, der alles verändern sollte: Der Aufbruch in eine ungewisse Zukunft. Über diese Zukunft hatte Mose ihnen gesagt, Gott selber sei mit ihnen und führe sie in ein Land, in dem Milch und Honig fließen.

„Wohin will er uns bringen?“
„Kann ich diesem Mann vertrauen?“
„Was passiert hier zuhause?“
„Ich habe Angst!“
„Ich möchte hierbleiben!“

Unterwegs passiert viel – immer wieder Verzweiflung. Der Blick nach vorne ist verschwommen. Durst und Hunger quälen. Dazu die Angst, vielleicht dem Falschen vertraut zu haben. 40 Jahre lang – mitten durch die Wüste.

„Ich kann nicht mehr weiter!“
„Ich möchte zurück nach Ägypten!“
„Ich bin’s Leid!“
„Was mutet der uns eigentlich zu?“
„Und wenn es den Gott, von dem Mose spricht, gar nicht gibt?“

Die Alten im Volk, die Ägypten noch in Erinnerung haben, werden immer weniger. Zwei Generationen sind inzwischen nachgewachsen. Da scheinen die Wüstenwanderer am Ziel. Der Blick öffnet sich in die Weite. Nie schien die erhoffte Zukunft näher.

Wohin geht Ihr / Euer Blick?
Meine Gedanken wandern zurück – an der einen und anderen Stelle verweilen sie. Meine erwachsenen Kinder kommen in den Blick. Werden sie und ihre Kinder ihr Leben so leben können, wie ich es konnte, wie ich es kann?
Wie wird sich die Welt verändern durch die schon jetzt mehr und mehr spürbaren Unwetter und Katastrophen?
Wird das Zusammenleben der Völker noch eine gute Chance haben angesichts von Kriegen und Machtbesessenheit?

Damals: Mose schickt Kundschafter aus. Die berichten bei ihrer Rückkehr von einem wunderschönen Land – es ist jedoch bewohnt.
Dann die Ernüchterung: Keiner von den Alten wird in das Land einziehen – auch Mose nicht. Gott bestimmt das so. Und jetzt?

„Das glaub ich nicht!“
„Warum?“
„Wofür diese ganze Strapaze?“
„Wir haben doch dem Falschen vertraut!“
„Und das soll nun mein Leben gewesen sein?!“

An der Schwelle zum versprochenen Land scheinen 40 Jahre
Wüstenwanderung vergeblich – purer Unsinn – sinnlos.

Und plötzlich wird die alte biblische Geschichte top-aktuell:
Wie wird sich die Welt verändern durch die schon jetzt mehr und mehr spürbaren Unwetter und Katastrophen?
Wird das Zusammenleben der Völker noch eine gute Chance haben angesichts von Kriegen und Machtbesessenheit?  So habe ich eben gefragt.

Und ich verstehe – vor dem Hintergrund dieser alten Geschichte: Jetzt ist Zeit. Es ist höchste Zeit. Wie die Israeliten an der Schwelle zum versprochenen Land, stehen wir an der Schwelle in unsere Zukunft, nein, wohl eher an der Schwelle der Zukunft unserer Kinder und Kindeskinder. Jetzt ist die Zeit, die Zeit zu überlegen, was ich mit meinen kleinen Kräften tun kann, damit es ein Hineingehen in die Zukunft überhaupt geben kann.

Und noch einmal vergeht eine lange Zeit – damals. Die alten Geschichten der Wüste, Geschichten der Verzweiflung und des Haderns mit einem Gott,
Geschichten des Staunens, wie dieser Gott mit Manna und Wasser versorgt, Geschichten vom Verlassen-Sein und von fröhlicher Begleitung, all diese Geschichten laufen wie ein Zeitraffer immer wieder ab.

Dann endlich
hört die Stimmen an der Schwelle zum versprochenen Land:

„Es ist Zeit, dass wir unser Leben in die Hand nehmen!“
„Hat lang genug gedauert!“

„Vergesst nicht den Erfahrungsschatz unserer Alten!“
„Wir werden schon Platz finden – das Land ist groß!“
„Worauf warten wir – lasst uns losgehen!“

Und unter der Führung von Josua, des Nachfolgers von Mose, beginnt der Einzug ins versprochene Land mit der Zusage Gottes:

„Siehe, ich habe dir geboten, dass du getrost und unverzagt seist. Lass dir nicht grauen und entsetze dich nicht; denn der Herr, dein Gott, ist mit dir in allem, was du tun wirst!“

Biblische Geschichte – bearbeitet im Format eines Bibliologs:
Wir werden Teil der alten Geschichte und führen diese alte Geschichte weiter – in unsere Zeit.

Jetzt ist die Zeit. Lasst uns losgehen. An der Schwelle zur Zukunft öffnet sich der Blick – kommen die Ideen – damit auch unsere Kinder und Kindeskinder Zeit und Raum zum Leben haben.

St. Patrick’s Day in Dänemark

Wunderschöne Ferientage mit Lilo und Reinhard
in Dänemark
– kalt – stürmisch – nass und sandgestrahlt –

Mit vielen schönen Gesellschaftsspielen – allen voran unser geliebtes gemeinsames Doppelkopf-Spiel – im Gepäck, haben wir die winterliche Nordsee am Ringköbing-Fjord genossen.

Immer wieder bedurfte es des ‚Aufwärmens‘,
so waren wir bald Stammgäste
in einem kleinen Cafe.

Da wir die kleine Reiseharfe und die Gitalele mit in den Urlaub genommen hatten, hatten wir die Freude und das Vergnügen, mit Einheimischen den St. Patrick’s Day zu feiern.

Unsere Gastgeber im kleinen Cafe in Söndervig

in action …

Lass leuchten dein Angesicht

Ich kann die Fernseh-Bilder der verheerenden Erdbeben in der Türkei und in Syrien kaum ertragen – unvorstellbar, welches Leid und welche Schmerzen Menschen dort erleiden …

„Ich habe das Elend meines Volkes gesehen und ihr Geschrei gehört!“
Gott sagt das, als seine Menschenkinder unter der Gewaltherrschaft des Pharaos kaputtzugehen drohen. Gott hat gesehen und – so erzählt die Bibel – beauftragt Mose, diesem Elend ein Ende zu setzen.

Das ist lange her, sagt Ihr vielleicht. Alte Geschichten,
Erzählungen, die mit uns heute doch nichts zu tun haben.

Ja – alt sind die Geschichten schon – aber was sie über Gott sagen, das hat an Deutlichkeit und Aktualität nicht verloren:
Gott sieht – und es lässt ihn offensichtlich nicht gleichgültig, was er sieht.
Es ist ihm nicht egal, wie es seinen Menschenkindern geht.


Damals bekommt Gottes Sehen und Mitleiden ein menschliches Antlitz mit Mose.
Er führt sein Volk aus der Sklaverei in Ägypten.

Und heute?
Jeder Gottesdienst endet mit der Bitte an Gott, er möge uns sein Angesicht zuwenden – und ich möchte schreien und rufen: Ja, Gott! Wende dein Angesicht nicht ab, lass es über uns leuchten, lass von diesem Schein ein wenig auf unsere Gesichter fallen, damit wir einander sehen. Damit wir einander wahrnehmen, damit wir uns anrühren lassen von dem, was andere Menschenkinder erleben und ertragen.

Ob unsere Gesichter dazu bereit sind?
Ob sie bereit sind, vom Leuchten des Angesichtes Gottes etwas aufzunehmen?

Lass leuchten dein Angesicht über uns, Gott!

Leha Dodi

Ob unsere Gesichter dazu bereit sind?
Ob sie bereit sind, vom Leuchten des Angesichtes Gottes etwas aufzunehmen?

Oder wird es uns wie jenem Mann in dieser kleinen Geschichte ergehen:

Verstört stand er im Badezimmer vor seinem Spiegel – er sah – nichts. Was für ein Tag war heute? Hatte er etwas Entscheidendes vergessen? War gestern etwas passiert?

Nichts Besonderes fiel ihm ein – aber es blieb dabei: Sein Gesicht war weg. Er schaute in den Badezimmerschrank, er suchte unter dem Bett – vergeblich – sein Gesicht blieb verloren. Freunde hörten davon. Auch sie begannen zu suchen. Sie fragten ihn – er antwortete – immer wieder. Doch das Gesicht blieb verloren. Drei Tage später – sein Enkelkind besuchte ihn. Grade erzählte es davon, wie es draußen Streit gab mit den Spielkameraden und davon, wie sein Freund ihn verteidigt hatte – da war es wieder da, sein Gesicht. Der Mann staunte –

Woran erinnert Sie diese kleine Geschichte?

Meine ersten Gedanken gehen in den politischen Raum:
Ich denke an einen Herrscher Putin, der den Krieg immer weiter führt, um – ja, warum? Ja – vielleicht auch darum, um sein Gesicht zu wahren – und wenn es auch nur noch ein sehr entstelltes menschliches Antlitz ist.
Oder –
Ich denke an die Verteidigungsministerin, die ihrem Amt nicht gewachsen ist, und der nur der Rücktritt vom Amt bleibt, um nicht ihr Gesicht zu verlieren.

Vielleicht sind da auch Gedanken an den letzten Streit mit dem Partner, an Auseinandersetzungen in der Schule oder an noch anderes – Persönliches – von dem wir nur selbst wissen.

Wer sein Gesicht verliert, der verliert ein Stück weit sich selbst. Mit Gesichtsverlust droht der Verlust dessen, was uns ausmacht. Unser Gesicht kommuniziert dem anderen, wer wir sind und wie es uns geht. Unser Gesicht spricht auch ohne Worte. Wer sein Gesicht verliert, der ist für sein Gegenüber nicht mehr erkennbar.

Und wenn es dann doch passiert, dass wir unser Gesicht nicht wahren können?

So, wie es damals einem Petrus ergangen war – die Bibel erzählt davon: „Ich bin dein Freund“, sagt er zu Jesus, „ ich stehe zu dir, was auch immer kommt.“ Aber dann – wie jämmerlich: Als es hart auf hart kommt und es droht, dass er selbst verhaftet wird, da kneift Petrus: „Den da, der im Gerichtssaal steht, den kenne ich nicht.“ Dreimal passiert das – und es bleibt diesem Petrus nichts mehr als bitter zu weinen.

Das Gesicht verloren – aber Freunde gehabt, die ihn nicht fallen gelassen haben. Und dem begegnet, den er im Stich gelassen hatte, von Angesicht zu Angesicht: „Ich gebe dir dein Gesicht wieder“ sagt Jesus zu ihm. „Du bleibst mein Freund. Du wirst in Zukunft Menschen davon erzählen, wie es dir mit mir ergangen ist. Und du wirst anderen zur Seite stehen – wirst anderen suchen helfen bei ihrer Suche nach ihrem Gesicht, nach ihrem Selbst.“

Über diesen Jesus sagt die Bibel, es sei Gott selber, der dem Menschen Vis-a-vis – von Angesicht zu Angesicht – Frieden zusagt, auch Frieden mit sich selbst, Frieden mit dem, wer ich bin, mit Macken und Fehlern.

„Die Niedrigkeit seiner Magd hat er angesehen!“, jubelt eine Maria, als sie erfährt, dass sie Jesus zur Welt bringen soll.

Von Gott angesehen – wertgeschätzt und das verloren gegangene Gesicht wiedergefunden.

Wie das gehen soll?

Im menschlichen Antlitz des Freundes neben mir blickt mich Gott selber freundlich an, gibt mir mein verlorenes Zutrauen, mein Gesicht wieder.

Gottes Angesicht – es spiegelt sich wider im Gesicht des Freundes, des anderen Menschen mir gegenüber.

Wenn es dann doch geschehen ist, dass wir unser Gesicht verloren haben?

Dann ist es gut, dass jemand da ist, der uns dennoch in die Augen schaut, der seinen Blick nicht abwendet und uns alleine im Regen stehen lässt.
Dann ist es gut, Menschen zur Seite zu haben, die uns zuhören und die uns suchen helfen.

Ein Gott, der sieht, der wendet sein Angesicht nicht ab von seinen Menschenkindern.

Genau darum bitten wir ja am Ende eines Gottesdienstes:
„Der Herr lasse leuchten sein Angesicht über uns und sei uns gnädig. Er erhebe sein Angesicht auf uns und schenke uns Frieden!“

Gott ist für uns da, er umarmt das Schöne und das Hässliche,
das Liebenswerte und das Traurige.
Wo wir ihn in unsere Nähe kommen lassen, da geschieht Heil.

Gott, der sein Angesicht zuwendet, würdigt mich seines Blickes.
Und er beschenkt mich mit einem Mit-Menschen, den er mir an die Seite stellt.

Damit ich mein Gesicht wahren kann. Damit ich bereit bin für das leuchtende Angesicht Gottes über mir. So möge es sein! Amen!

Ins Neue Jahr …

Small-Music anstatt Small-Talk !!!

Musikalisches Neujahrstreffen
🎼🔔🪗🎺🕯🎻🎷🎶🎹💫
in der Biberburg

am 8. Januar 2023

Stimmgewaltig begrüßten wir im Kreis von Freunden mit Gitarren, Querflöten, Akkordeon, Klavier und Harfe das Neue Jahr. Wunderschöne Stunden voller Musik, fröhlichem Lachen
und leckerem Essen begleiten uns in ein Neues Jahr.

Nun geh der Weihnacht Freudenschein
mit uns ins neue Jahr hinein,
das Dunkel zu vertreiben !
Herr, schenk es uns in Deiner Gnad, dass wir auch auf dem neuen Pfad bei Dir, dem Lichte, bleiben !

Text: Käte Walter

SAFE — HOME

Gedanken zu Bonhoeffers Neujahrsgedicht – Schönklinik am 31.12.2022

Von guten Mächten, wunderbar geborgen, gehütet und getröstet wunderbar, so will ich diese Tage mit euch leben und mit euch gehen in ein neues Jahr. Viele werden dieses Gedicht von Dietrich Bonhoeffer kennen, er schrieb es 1944 im Gefängnis. Es wurde zu einem Kirchenlied, mehrfach vertont, fast immer zu Neujahr gesungen.

Aber dazu war es nie gedacht. Es war ein ganz persönlicher Brief an Freunde und an die Familie. Er hat es nicht an seine Gemeinde geschickt, sondern an spezielle Menschen, die ihm etwas bedeutet haben.

Und er, der sich sein ganzes Leben lang mit Christologie und Jesus Christus beschäftigt hat, redet zuerst nicht von Jesus, nicht von Christus, nicht von Gott, sondern von guten Mächten. Wer sind diese guten Mächte? 

Wer seine Bücher über die letzten und vorletzten Dinge gelesen hat der ahnt, dass er mehr damit meint als jenseitige letzte Mächte. Er weiß sich auch getragen von den vorletzten Dingen.

Insbesondere von seiner Familie. Er weiß sich getragen von seinen Freunden. Das Gefängnis in dem er seit einem halben Jahr einsitzt ist nur äußerlich. Natürlich vermisst er die vielen Menschen, mit denen er sich sonst getroffen hat. Er vermisst sicher auch seine Bibliothek, so dass er seine Ethik nicht weiter schreiben kann. Er darf nur wenig Besuch empfangen und kann nur das zu Papier bringen, was in seinem Kopf ist und in den wenigen Büchern, die man ihm mitgebracht hat.

Aber er weiß, was er seiner Familie zu verdanken hat, dem liberalen kritischen Vater, der praktisch denkenden Mutter, der frommen Großmutter. Alle haben ihn geprägt. Mit allen Gedanken hat er sich auseinandersetzen müssen und von allen hat er gelernt. Die guten Menschen, die ihn gefördert und geprägt haben.

Wie die Mächte heißen spielt eigentlich keine Rolle. Das ist sicher auch der Gott Jahwe, von dem es heißt, dass er uns vom Mutterleib an zubereitet hat. Aber auch Buddha, der tröstet, im Leid hilft und sterbende ins Nirwana geleitet.  Auch Shiva der Erneuerer, der die Welt immer wieder verändert. Entscheidend ist der tröstliche Gedanke: Ich bin behütet und geborgen. Es ist kein Schicksal, kein Kismet, was über uns steht und uns beherrscht.

Es ist der gute Geist, der uns die Freiheit führt, den uns selber entscheiden lässt, wie wir unser Leben gestalten wollen.  Wir sind nicht, wie Sartre sagt, zur Freiheit verdammt, sondern zur Freiheit berufen. Für ihn bleibt, um mit Freunden und Familie zu leben, nur dieser Brief. Zeit ihn zu entwerfen hatte er wahrscheinlich im Überfluss. In den Strophen führt er aus, wie er sich getragen weiß im Leid und in der Freude, in der Freiheit und im Gefängnis, alleine und mit den Freunden.

Als ich dieses Gedicht zum ersten Mal gelesen hab, wusste ich nicht, dass es schon eine Vertonung gab. Heute findet man in manchen Gesangbücher sogar zwei Vertonungen eine etwas kitschige und eine sehr altertümlich anmutende. Ich hab damals selber eine Melodie gesucht, die zu dem Gedicht passt.  Die Melodie stammt von einem alten Beerdigungslied der Schwarzen aus Amerika und wenn man bedenkt, dass das für ihn das letzte Gedicht war, was er wahrscheinlich geschrieben hat, ist vielleicht die Melodie sogar passend.

Erst in der letzten Strophe benutzt er das Wort Gott, der am Morgen und am Abend bei uns ist und sicher auch am Morgen und am Abend unseres irdischen Lebens. Er sieht gute Mächte überall am Werk, mitten im Terror seiner Zeit. Und genauso kann man heute gute Mächte am Werk sehen. Wir sehen nicht nur das Grauen im Iran, in Syrien und in der Ukraine. Wir sehen auch Mut und Hilfsbereitschaft. Wir erwarten getrost was kommen mag, denn wir sind von guten Mächten getragen.

Himmel und Hölle – Gottesdienst in Süsel am 19.6.2022

Die Hölle von Irpin. Hier wurden im April 200 Zivilisten auf brutalst Weise gefoltert und umgebracht. Die Hölle von Srebenica. Hier wurden alle männlichen Einwohner erschossen. Die Hölle von Ausschwitz. Massenmord geplant und ausgeführt.

In unseren Nachrichten und Geschichtsbüchern taucht das Wort Hölle immer häufiger auf, es wird gerade inflationär benutzt.

Im Gegensatz dazu wird das Wort auf er Kanzel aus gutem Grund nicht mehr benutzt. Zu lange hatten die Kirchen mit der Angst vor der Hölle Schindluder getrieben und den Gutgläubigen das Geld aus der Tasche gezogen.

Umso mehr erstaunt es, das Jesus im heutigen Bibeltext von Himmel und Hölle redet, als sei das gar kein Problem. Als ich meiner Frau sagte, dass der heutige Bibeltext davon handelt, meinte sie, ich könne ja auch für so eine Vertretung etwas anderes auswählen. Aber ich versuche gerne mich solchen Herausvorderungen zu stellen. Ich habe dann erst mal versucht herauszufinden, woher diese Vorsellung kommt.

Der Gedanke eines Lebens nach dem Sterben hat sich erst langsam im jüdischen Glauben entwickelt.

In den ältesten Psalmen heißt es noch: Wie kann ich Gott loben, wenn ich in die Grube fahre. Also in heutigem Deutsch: Gott lass mich am Leben, sonst hast du einen follower weniger bei Instagramm. In der Auseinandersetzung von Jesus mit den Schriftgelehrten wird dieser Wandel noch deutlich. Die Schriftgelehrten verneinen auf Grund der alten Texte ein Leben nach dem Tode. Jesus sagt, das es nach dem Tode alles anders sein würde als auf Erden, aber Gott auch dann zu seinem Bund steht. In der weiteren Entwicklung des jüdischen Glaubens, hat sich immer mehr die Vorstellung durchgesetzt, dass Gott auch nach dem Tode zu uns steht.

In unserer heutigen Geschichte ist aber gar nicht vom Himmel direkt die Rede, sondern vom Leben in Abrahams Schoss. Also man geht – wie das in vielen Religionen und Kulturen der Welt gelehrt wird – zu seinen Ahnen, zu seinen Vorgängern, die diese Welt verlassen haben. In dem Spiritual, was wir gerade gesungen haben ist dies so wunderschön formuliert:“Wenn du zuerst von dieser Welt gehst, sage allen meinen Freunden dort, dass ich bald nachkomme. „

Aber mit der Vorstellung eines Lebens nach dem Tode, wurde Gottes Gerechtigkeit zum Problem – sollte auch ein Hitler, ein Stalin, ein Pol Pot, ein Molosovic so einfach in Abrahams Schoss gelangen. Ich habe den letzten Namen in der Reihe, den wahrscheinlch viele erwartet hattet bewusst nicht genannt. Wer noch hier lebt hat immer noch die Chance, dass er oder die Situation alles verändert. Und um der Gerechtigkeit Gottes zum Sieg zu verhelfen übernahm man aus anderen Religionen die Vorstellung eines Raums, wo die Verbrechen der Menschen bestraft werden.

Nach Lukas hat Jesus diese Geschichte so erzählt:

19 Es war aber ein reicher Mann, der kleidete sich in Purpur und kostbares Leinen und lebte alle Tage herrlich und in Freuden. 20 Ein Armer aber mit Namen Lazarus lag vor seiner Tür, der war voll von Geschwüren 21 und begehrte sich zu sättigen von dem, was von des Reichen Tisch fiel, doch kamen die Hunde und leckten an seinen Geschwüren. 22 Es begab sich aber, dass der Arme starb, und er wurde von den Engeln getragen in Abrahams Schoß. Der Reiche aber starb auch und wurde begraben. 23 Als er nun in der Hölle war, hob er seine Augen auf in seiner Qual und sah Abraham von ferne und Lazarus in seinem Schoß. 24 Und er rief und sprach: Vater Abraham, erbarme dich meiner und sende Lazarus, damit er die Spitze seines Fingers ins Wasser tauche und kühle meine Zunge; denn ich leide Pein in dieser Flamme. 25 Abraham aber sprach: Gedenke, Kind, dass du dein Gutes empfangen hast in deinem Leben, Lazarus dagegen hat Böses empfangen; nun wird er hier getröstet, du aber leidest Pein. 26 Und in all dem besteht zwischen uns und euch eine große Kluft, dass niemand, der von hier zu euch hinüberwill, dorthin kommen kann und auch niemand von dort zu uns herüber. 27 Da sprach er: So bitte ich dich, Vater, dass du ihn sendest in meines Vaters Haus; 28 denn ich habe noch fünf Brüder, die soll er warnen, damit sie nicht auch kommen an diesen Ort der Qual. 29 Abraham aber sprach: Sie haben Mose und die Propheten; die sollen sie hören.

Und wenn Jesus sich dann im Kreise seiner Zuhörer umsah, war da mit 99% Sicherheit keiner in Purpur gekleidet, der immer nur sorgenlos und in Freude lebte. Aber seine Zuhörer kannten solche Menschen und hofften, dass diese Warnungen eines Tages auch die Reichen im Land ereichen würden, so wie sie es bei Johannes dem Täufer erlebt hatten. Vielleicht waren um ihn einige arme kranke Bettler, aber die meisten Menschen waren sicher irgenwo dazwischen, weder besonders reich o der extrem arm – vielleicht wie wir?

Für uns stellt sich doch die entscheidende Frage: Sind wir reich oder arm. Wir kleiden uns zwar nicht in Purpur, aber schicke Mode tragen wir gerne. Aber wir liegen auch nicht krank vor der Türe der Reichen.

Wir schimpfen über die Ausbeutung durch die Ölkonzerne und die hohe Inflation. Aber wie reich oder arm sind wir eigentlich?

Die Daten der Wirtschaft sprechen ein deutliches Bild. Das Monatseinkommen weltweit beträgt 730€ ca 200kg Brot (in Kaufkraft um gerechnet) pro Person – eigentlich ausreichend für alle. Aber es ist sehr unterschiedlich weltweit: Im ärmsten Land , Afganistan, sind es 36€ ca 10 kg Brot, in Deutschland 3550€ ca 1000kg Brot und auf den Bermudas 8170€ ca 2150kg Brot.

Weltweit gesehen sind wir also eher reich, aber natürlich gibt es auch bei uns riesige Unterschiede vom Bezieher des Grundeinkommens bis zum monatlichen Einkommensmillioär.

Der Himmel als Abrahams Schoss, also bei den Ahnen seines Volkes und die Hölle als Ort der Pein. Aber kein moralisches Urteil über den Reichen. Die Brüder lebten genauso, dies lässt doch vermuten, dass der Reiche schon so aufgewachsen war und viel ererbt hat. So wie viele von uns bereits in dem reichen Land geboren und aufgeaschsen sind. Er lässt Lazarus vor seiner Tür nicht verhungern, aber er bittet ihn eben auch nicht an seinen Tisch. Die Geschwüre könnten ja ansteckend sein. Die Corona-Angst in manchen Kirchen hier im Kreis lässt grüßen.

Diese Geschichte ist keine prophetische Schau, was einmal sein wird , sondern eine deutliche Warnung an Jesu Zuhörer und an uns: Fühlt euch in eurem Reichtum blos nicht so sicher. Und wenn ihr ganz Afrika das Impfserum verweigert, wundert euch nicht, dass der Kontinent euch in Europa heute auch nicht unterstützt. Und Gas und Ölleitungen lassen sich auch schnell abedrehen. Wenn jetzt das knappe Getreide bei uns ans Vieh verfüttert wird für unsere Steaks, werden die Hungernden in der Welt uns sicher nicht bei unseren sonstigen Problene helfen.

Solidarität zwischen Staaten, Mitgefühl und Hilfe vor Ort wird allen zu gute kommen. Oder wie sich Jesus mal so nett äußerte: Dann macht euch doch wenigstens Freunde mit dem schnöden Mammon, statt ihn zu horten und zu sichern.

Ich stelle mir vor, dass Jesus heute diese Geschichte, wenn er den Mißbrauch des Begriff Hölle in der Kirchengeschichte gesehen hätte, diese etwa so beschrieben hääte, wie in dem kleinen russischen Märchen:

Ein Rabbi kommt zu Gott: „Herr, ich möchte die Hölle sehen und auch den Himmel.“ – „Nimm Elia als Führer“, spricht der Schöpfer, „er wird dir beides zeigen.“ Der Prophet nimmt den Rabbi bei der Hand.

Er führt ihn in einen großen Raum. Ringsum Menschen mit langen Löffeln. In der Mitte, auf einem Feuer kochend, ein Topf mit einem köstlichen Gericht. Alle schöpfen mit ihren langen Löffeln aus dem Topf Aber die Menschen sehen mager aus, blass, elend. Kein Wunder: Ihre Löffel sind zu lang. Sie können sie nicht zum Munde führen.Das herrliche Essen ist nicht zu genießen.

Die beiden gehen hinaus: „Welch seltsamer Raum war das?“ fragt der Rabbi den Propheten. „Die Hölle“, lautet die Antwort.

Sie betreten einen zweiten Raum. Alles genau wie im ersten. Ringsum Menschen mit langen Löffeln. In der Mitte, auf einem Feuer kochend, ein Topf mit einem köstlichen Gericht. Alle schöpfen mit ihren langen Löffeln aus dem Topf.

Aber – ein Unterschied zu dem ersten Raum: Diese Menschen sehen gesund aus, gut genährt, glücklich. „Wie kommt das?“ Der Rabbi schaut genau hin. Da sieht er den Grund: Diese Menschen schieben sich die Löffel gegenseitigin den Mund. Sie geben einander zu essen.

Hier sieht man, Hölle ist nicht der Ort wo Gott straft, sondern wo Menschen einander jede Hilfe versagen, wo Menschen nur an sich und ihren Vorteil denken.

Unser heutiger Bibeltext ist keine Vorhersage, sondern ein Warnung. Im Gegensatz zur Drohung mit der Hölle tritt die Warnung und jeder hat die Möglichkeit die Warnungen zu beachten. Ich wünsche diese Achtsamkeit Ihnen und mir um eines Tages – aber hoffentlich nicht so bald – von den Engeln in Abrahams Schoss getragen zu werden.

Für einen Menschenfreund

Am 7.Dezember d.J. verstarb Horst Nolte, ein langjähriger Freund und treuer Begleiter meines Lebens und meiner Arbeit in Bega. „Ja, ich will euch tragen bis zum Alter hin, und ihr sollt einst sagen, dass ich gnädig bin!“ Dieses wunderschöne, hoffnungsvolle Lied von Jochen Klepper hat Horst sehr geliebt. Für ihn haben wir es aufgenommen.

„Oh when the Saints go marching in … dann wird der Horst bestimmt dabei sein!“

Gott befohlen!