(Predigt in Arbeitsschürze und mit Säge und Hobel)
Also ich muss immer sagen, ich muss Ihnen etwas erzählen, ich hab mich fürchterlich aufgeregt gestern und ich kann mich immer noch nicht beruhigen. Ja was meine Frau da gestern erzählt hat. Mein ältester Sohn war ja immer etwas seltsam. Aber so was, das hab ich mir nicht vorstellen können. Ach sie wissen gar nicht, worum es geht.
Ich glaube ich fange mal vorne an. Also da war meine Frau, sie wollte ja ihren Sohn besuchen. Sie wollen endlich mal wissen, wie’s ihm geht. Da sie nicht alleine reisen kann, das ist zu gefährlich, ist mein zweitältester Sohn Jakob mitgegangen und seine Schwester. Sie wussten gar nicht wo sie ihn finden würden. Nur die vage Richtung, nach Osten zum großen See und dann von da aus haben sie sich weiter durch gefragt.
Ich merke schon ich muss noch weiter vorher anfangen sonst versteht Sie ja gar nicht warum sie den Aufenthalt ihres Sohnes nicht kannte.
Also eigentlich war mein Sohn ein ganz lieber, zu mindestens dachte ich das immer. Er raufte nicht so wie die anderen Kinder und er war mir in meiner Werkstatt schon mit zwölf Jahren eine große Hilfe und mit 15 war schon wie ein Geselle in der Werkstatt. Er konnte da schon alles übernehmen konnte konnte Tische Stühle herstellen, konnte mir beim Dachdecken helfen und später als mir dann der Balken auf den Fuß gefallen ist, da konnte ich mich auf ihn verlassen. Er hat die Werkstatt fast alleine mit seinem jüngeren Bruder geführt. Ich saß und konnte gar nicht helfen und höchstens ein paar Anweisungen geben. Er hat das prima hingekriegt.
Aber etwas seltsam war er schon. Er schien mehr mit dem Kopf zuarbeiten und nicht wie ein richtiger Tischler vom Holz her zu fühlen, wie man das Werkzeug anpacken muss. Er gründete auch keine Familie, obwohl er doch schon lange erwachsen war. Als er 30 Jahre alt war ist der von einem Tag zum andern losgezogen, hat uns nicht gesagt wohin er wollte, nur ganz grob dass er in Richtung Osten zum großen See gehen würde. Wir haben natürlich gefragt, wo er denn wohnen wollte. Er sagte, das wisse er nicht, vielleicht unter freiem Himmel oder bei Freunden. Und wovon er leben wollte und er sagte nur: Ich werde mal sehen. Zu mit sagte er: mein Bruder Jakob ist jetzt groß genug du kannst mit ihm die Werkstatt alleine führen, du brauchst mich ja nicht mehr. Aber was er genau wollte, weiß ich bis heute nicht.
Er ist dann noch einmal später in unsere Stadt gekommen.Das war ein etwas seltsamer Besuch.Wir dachten erst er würde uns besuchen wollen, aber seine Freunde fing sofort an mit den Menschen aus der Stadt zu diskutieren und zu reden und die Leute waren gar nicht begeistert von dem, was sie erzählten. Sie dachten, den kennen wir doch, was erzählt er uns hier. Er und seine Freunde sind dann wieder raus, fast aus unserer Stadt geflohen und wieder in Richtung des Sees, hat er uns gesagt aber ohne genaue Ortsangabe
Deshalb wollte meine Frau vor vier Tagen ihn wenigstens noch einmal in sehen und gucken wie’s ihm geht und ist mit meinem zweiten Sohn und seiner Schwester zusammen losgezogen in Richtung Osten sie wussten ja auch nicht wo er war. Sie hat ihm noch einen warmen Umhang und eine Decke mitgebracht, weil sie Angst hat dass es so kalt wird im Winter. So sind Mütter eben und dann hat sie zwei Tage sich durch gefragt bis sie ihn gefunden hat und er saß wirklich in der Nähe des großen Sees umringt von einer Schar von Freunden Männern und Frauen, die sie nie vorher gesehen hatte.
Sie hat ja die Freunde aus dem Kreis um ihn gebeten, er möge doch mal zu ihr kommen oder dass sie zu ihm durch die vielen Menschen gelassen würde. Als die Freunde ihm aber die Nachricht brachten, dass seine Mutter und seine Geschwister da waren, um ihn zu besuchen, hat er gesagt zu allen gesprochen:“ Sieht hier das hier sind meine waren Brüder und Schwestern, das ist meine Familie das sind mein Vater und meine Mutter. Denn wer Gottes Willen tut der ist mein Bruder und meine Schwester und meine Mutter.“ Meine Frau war wie vor den Kopf gestoßen. Da hatte sie sich zwei Tage lang auf den beschwerlichen Weg gemacht und jetzt muss sie hören, er hätte eine neue Familie, andere Menschen, die sie gar nicht kannte. Und die waren im plötzlich wichtiger geworden als die, mit den er 30 Jahre zusammen gelebt hatte, als seine Mutter die ihn 9 Monate im Bauch getragen und fast sein ganzes Leben lang versorgt hatte, als sein Vater, der mit ihm in der Werkstatt Jahre lang gearbeitet hatte als seine Geschwister mit denen er als Kind gespielt und als junger Erwachsener zusammen gelebt hatte. Am Anfang verstand meine Frau ihren Sohn gar nicht mehr.
Aber dann hat er sich doch noch mit seiner Mutter und seinen Geschwistern unterhalten und sie begrüßt und sich bei seiner Mutter bedankt für die Geschenke und sie mit zum Essen eingeladen. Wie selbstverständlich hat die ganze Gruppe dort den Fisch, das Brot und den Wein geteilt und es hat komischerweise für alle gereicht obwohl es zuerst nicht so aussah und ich weiß bis heute nicht, wovon sie das gekauft haben, also von welchem Geld .
Auf dem Heimweg hat meine Frau Maria noch lange über die Worte ihres Sohnes nachgedacht. Sie hatte überlegt eigentlich ist das ja für ihn seine neue Familie. Für ihn ist das vielleicht wirklich so, das sind seine Brüder und Schwestern. Obwohl für sie war es doch schwer das zu ertragen. Aber so sind Mütter eben. Sie hatte ihm eigentlich schon verziehen als sie hier wieder ankam. Aber als sie mir die Geschichte dann erzählt hat,da wurde ich richtig wütend: Was ist das für ein Sohn, der so mit seiner Mutter umgeht
Heißt es nicht im fünften Gebot: Du sollst Vater und Mutter ehren. Aber für ihn sind wohl andere zu Vater und Mutter geworden. Maria erzählte auch, dass er Gott mit Vater anredet. Eigentlich müsste ich mich ja geehrt fühlen, wenn er den Namen den er mir jahrelang gegeben hat jetzt für Gott verwendet. So ein schlechter Vater kann ich wohl gar nicht gewesen sein und mich wundert nur, dass er Gott nicht gleich mit Mutter angeredet hat. Maria hat ihn doch immer viel besser verstanden als ich. Einerseits finde ich es schön, dass er wieder so viele Freunde gefunden hat und andererseits, ob er uns nicht auch vermisst hat. Ich habe nicht so viele Freunde wie er, ich habe mich um meine Frau und meine Kinder gekümmert, ich hatte nicht so viel Zeit für Freundschaften. Vielleicht hat er ja was wichtigeres entdeckt, etwas was über die natürliche Familie hinausgeht. Aber das hätte er doch etwas netter seiner Mutter sagen können. Ich finde immer noch der Ton war nicht angebracht. Vielleicht verstehen Sie jetzt meinen Ärger und ich werde mich nur sehr langsam glaube ich beruhigen und nicht so schnell wie Maria das konnte.