Hier sollen nach und nach alle wichtigen Dinge, die in unserem Leben passieren dokumentiert werden, insbesondere unsere Gottesdienste, unser Leben in Scharbeutz, und was uns sonst noch so umtreibt.
Mit diesem Versprechen nahmen Dorothea Brand und Wolfgang Kummerfeldt zahlreiche Zuhörer, die sich am Samstagabend in der Kirche zu Bega eingefunden hatten, mit auf eine musikalische Reise durch verschiedene Länder. Harfe, Gitalele und Gitarre klangen wunderbar zusammen und waren eine stimmungsvolle Begleitung zu unterschiedlichsten Liedern.
Nachdenkliche und poetische Liedertexte, lyrische, aber auch durchaus fetzige Melodien verzauberten und schufen eine lichtvolle Atmosphäre jenseits des Alltags.
Das Begrüßungslied des letzten Weltgebetstags „Seid willkommen“ aus dem Inselstaat Vanuatu stand am Anfang des Konzertes. Dorothea Brand spielt eine keltische Hakenharfe, die durch Umstellen der Haken das Spiel in unterschiedlichen Tonarten ermöglicht. Die keltische Harfe ist das Nationalinstrument von Schotten und Iren und so trug das Duo entsprechend irische und keltische Songs vor, vielen bereits bekannt durch die Gruppen Sallys Garden oder die Dubliners.
„Herr Winter kommt vom Kaukasus“ ist ein Protestlied der deutschen Band „In Extremo“ gegen die Diktatur und damit durchaus aktuell, mit „Wer kann segeln“ gab es einen Abstecher nach Schweden und ein besonderes Lied war „Dat Kelbl“, in jiddischer Sprache. Das „Halleluja“ von Leonard Cohen, einem kanadischen Dichter und Songwriter bildete den eindrucksvollen Schluss des Liedervortrags. Instrumentalstücke schufen Nähe zur Natur und zu den Jahreszeiten – beispielsweise „Fluss und Meer“ oder „ First Snow“. Harmonisch fügten sich zwei von Dorothea Brand vorgetragene tiefsinnige Erzählungen in die Musik ein.
Der Beifall des Publikums war herzlich und einige Zuhörer nutzten die Gelegenheit, während der Pause und nach dem Konzert mit Dorothea Brand als der langjährigen und noch vertrauten Pfarrerin der Kirchengemeinde Bega ins Gespräch zu kommen.
Wer Samstag keine Zeit hatte, das Konzert zu besuchen, hatte am Sonntag Gelegenheit, einen musikalischen Gottesdienst zu erleben. Auch hier präsentierten Dorothea Brand und Wolfgang Kummerfeld sowohl Instrumentalstücke als auch zum Thema des Gottesdienstes passende Lieder – besonders schön: ein gesungenes Glaubensbekenntnis aus Irland.
Inhalt der Predigt war – mit Bezug auf den Text des kommenden Weltgebetstages – die Stelle aus dem Buch des Propheten Jeremia, in der er die Exilsituation des Volkes Israel beschreibt und tröstliche Worte für dessen Zukunft findet. Zusage und Trost, das sind Dinge, die jeder von uns in unterschiedlichen Lebenssituationen gebrauchen kann und die, so Frau Brand, gerade in der vor uns liegenden Passions- und Osterzeit wirksam werden sollen. Annelie Brandt von Lindau
Liebe Frauen und Männer, liebe Schwestern und Brüder,
„Kaffee?“, frage ich den Soldaten, der bei mir im Türrahmen steht. „Gern“, schallt es zurück. „Milch, Zucker?“ – „Schwarz bitte. Wie meine Seele.“
Die Begegnung liegt viele Jahre zurück und doch hat sie sich tief in mein Gedächtnis eingeprägt. Manchmal sind es die kleinen alltäglichen Dinge, die einem den Blick öffnen.
„Kaffee?“, frage ich den Soldaten, der bei mir im Türrahmen steht. „Gern“, schallt es zurück. „Milch, Zucker?“ – „Schwarz bitte. Wie meine Seele.“
Wie oft habe ich das schon gehört. Und eigentlich habe ich mir dazu noch nie richtig Gedanken gemacht.
Warum sollte die Seele schwarz sein?
Karfreitag fällt mir ein. Menschen, wie sie mit schweren Schritten Richtung Golgatha gehen – dem Hügel der Kreuzigung Jesu. Tränen in den Augen. Hoffnungslos. Denn der, dem sie gefolgt waren, war tot. Auf den sie ihre ganze Hoffnung gesetzt hatten, lebte nicht mehr.
Bilder aus dem ersten Lockdown sind mir vor Augen – in Italien werden Leichen auf Lastwagen abtransportiert und Bestatter kommen mit dem Beerdigen nicht nach.
In Altenheimen und Krankenhäusern sterben Menschen alleine.
Familien in kleinen Wohnungen stehen vor dem Kollaps.
Vieles ließe sich hier weiterführen … Schwarz – aussichtslos – vorbei! Wenn ich schwarz sehe, dann – sehe ich nichts mehr. Eine Wand – undurchlässig – ohne den Blick auf das, was danach kommt.
Ich sehe schwarz. Warum auch immer.
„Kaffee?“, frage ich den Soldaten, der bei mir im Rahmen steht. „Gern“, schallt es zurück. „Milch, Zucker?“ – „Schwarz bitte. Wie meine Seele.“
Und ich höre mich antworten: Oh – schade: Dann haben Sie wohl noch nie von Ostern gehört?
Ich komme mit den gefüllten Tassen zurück: „Warum meinen Sie“, beginne ich das Gespräch, „warum meinen Sie, dass Ihre Seele schwarz ist?“ und er antwortet mit einer Gegenfrage: Was das denn mit Ostern zu tun habe.
Und ich erzähle von dem Gottesdienst in der Osternacht. Wie die entzündete Osterkerze in die dunkle Kirche getragen wird. Wie das kleine Licht den dunklen Raum erstrahlen lässt, wie die vielen kleinen Osterkerzen an dem einen Licht entzündet werden, bis die Kirche hell ist.
Ich erzähle von der Symbolik, dass Jesus von den Toten auferweckt wurde.
Ich erzähle davon, wie die Begegnung mit dem auferstandenen Jesus Menschen ergreift, wie sie aus ihrer Karfreitagsdepression herausgerissen werden und wie die schwarze Wand vor ihnen einen Spalt bekommt, wie Licht auf sie fällt.
Und mein Soldat? „Ich bin nicht sehr religiös“, sagt er.
„Aber das mit dem Dunkel und der Wand, das kenne ich. Perspektivlos, verzweifelt, wie ich – so müssen sich die Freunde um diesen Jesus gefühlt haben an jenem schwarzen Freitag.“
Und dann erzählt er von einer verfahrenen Ehesituation. Davon, wie er sich betrogen fühlt von der Ehefrau, während er im Einsatz war. Von Schuldvorwürfen, von Schuldgefühlen und davon, dass er sich am liebsten aus diesem Leben verabschieden wolle. „Die Wand – schwarz – ohne Hoffnung. Schwarz, kein Weiß. Eben wie meine Seele. Sie ist ein Spiegel meiner Situation.“
„Ja“, sage ich. „Das ist erdrückend. Schwarzer Tag. Undurchdringlich. So müssen sich Jesu Freunde auch gefühlt haben. Am Ende angekommen.
Und dann? Ostermorgen für die um Jesus herum. Frauen sind das zuerst – sie wollen dem toten Jesus die letzte Ehre erweisen – wollen ihn salben mit kostbarem Öl:
Da ist eine Maria, die nichts sieht. Das Schwarz ist so undurchdringlich, verschließt Augen und Herz. Sie hält den auferstandenen Jesus für den Friedhofsgärtner, fragt ihn nach dem Leichnam Jesu.
Und dann hört sie was – nur ein Wort: Maria.
Sie hört ihren Namen. Sie ist gemeint. Licht fällt durch einen kleinen Spalt im Dunkel. Strahlt sie an, stellt sie auf den Weg jenseits von ihrem Dunkel. Eine Perspektive tut sich auf – ein Weg – Zukunft.
Ostern meint: Auf meine so schwarze Seele fällt Licht – einen Spalt breit – ausreichend, um das undurchdringliche Schwarz der Wand zu durchbrechen. Licht genug, um das Kreisen im Dunkel der Schuldgefühle und Vorwürfe zu unterbrechen.
Irgendetwas muss dran sein, an diesen Erfahrungen.
Das war nicht nur damals so – bei dem ersten Ostern. Irgendetwas muss dran sein.
Irgendetwas muss dran sein. Darum rede ich schon heute – weit vor dem Osterfest, das wir in diesem Jahr erst Mitte April feiern, von dem, der dunkle Zeiten heller machen kann. Von dem, der uns Aufatmen lässt in schweren Zeiten.
Aufatmen – wie das gehen soll? Vielleicht so, wie es der Prophet Jeremia seinen in die Verbannung geschickten Landsleuten schreibt. Mitten hinein in die tiefe Depression des Verlustes von Heimat, vom Tempel und – von Gott? – fordert Jeremia zum Durchhalten auf:
1. Akzeptiert die Krise – arangiert euch mit der so schlimmen Situation. Das ist schwer. Wir wissen das wohl aus den eigenen Erfahrungen der letzten zwei Jahre.
Findet euch ab mit der Krise und dann 2. Krempelt die Ärmel hoch: „Baut Häuser und wohnt darin! Pflanzt Gärten und erntet. Zeugt Kinder und verheiratet eure Kinder!“ Denn die Krise wird lange dauern – ein oder zwei Generationen lang. Darum „sucht der Stadt, in der ihr jetzt lebt, sucht der Stadt Bestes. Engagiert euch in und für die Stadt. Betet für sie. Denn das ist jetzt eure Heimat! Geht es der Stadt gut, dann geht es auch euch gut.„
Das ist eine klare Ansage – auch für uns! Denn – nochmal Jeremia: Gott weiß wohl, was für Gedanken ER über euch hat: Gedanken des Friedens und nicht des Leids, dass Er euch Zukunft und Hoffnung gebe.
Vom Aufatmen in dunkler Zeit – irgendetwas muss dran sein, an allen diesen Erfahrungen.
Ich kehre noch einmal zu meinem Soldaten zurück. Diesem einen Gespräch folgten zwei weitere mit meinem Soldaten.
Immer war der Kaffee schwarz – die Seele aber hatte einen Lichtschimmer abbekommen. Gespräche mit der Frau, Unterstützung von Freunden, ein Weg jenseits der schwarzen Wand.
Mehr Ostern geht kaum noch – auch wenn es erst Februar ist. Amen.
Und der Friede Gottes, der größer ist als unser Verstand es begreift, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus, unserem Herrn. Amen.
Saiten und Seele beginnen zu schwingen, wenn Lieder und Geschichten im ‚Dorf-Dom‘ in Bega erklingen. So konnten Konzert und Gottedienst einen kleinen Beitrag zum Aufatmen in schwerer Zeit leisten.
Es war wie ein ‚Nach-Hause-Kommen‘ . Vor ziemlich genau 13 Jahren wurde ich nach 25 Dienstjahren in der Kirchengemeinde Bega in den Dienst bei der Militärseelsorge verabschiedet. Zehn Jahre voller Begegnungen und Gespräche folgten. Seit März 2019 bin ich nun Pfarrerin i.R. – immer in Reichweite und Rufbereitschaft 🙂 So bin ich gerne der Einladung in meine alte Kirchengemeinde im Februar d.J. gefolgt.