Zirkus in der kleinen Stadt: Das ist was besonderes, alle Kinder kommen nach der Schule, staunen über die vielen großen Tiere, die Pferde, die Kamele, die Löwen im Käfig und und den großen Elefanten. Am nächsten Tag kommen sie wieder und sehen wie die großen Stangen vom Zelt aufgebaut werden, der Elefant schleppt die schweren Stangen heran, die Männer ziehen gemeinsam die Seile und die Plane, bis das Zelt steht. Hinterher wird der Elefant zu seinem Platz zurückgeführt und angekettet. Franz staunt, da ist nur ein ganz kleiner Holzpflock an der Elefant angekettet wird. Dieser starke Elefant könnte auch den Holzpflock spielend aus dem Boden reißen. Franz ist in im Alter wo er noch denkt, er kriegt von Erwachsenen eine vernünftige Antwort. „Warum habt ihr den an dem kleinen Flock angekettet, der kann euch da weglaufen.“ Die Antwort des Wärters: „ Das haben wir immer so gemacht.“ hilft ihm nicht wirklich. „Der ist nie weggelaufen warumsollen wir das anders machen.“ Franz denkt nach; Dieser starke Elefant, er schleppt die schweren Stangen und dann wird er mit einer kleinen Kette an einem Minipfahl angekettet. Das macht doch keinen Sinn.
(Kette mit Pfahl aufbauen)
Zwei Jahre später kommt der Zirkus noch mal in die Stadt. Diesmal sind zwei Elefanten dabei, der große und ein kleiner junger Elefant. Und der wird an einen dicken Pfahl angekettet. Der Wärter erklärt: „Das machen wir, damit er sich nicht los reißt und alles zertrampelt, er ist doch noch so wild und jung.“ „Ja aber der Größere könnte sich doch viel leichter losreißen.“ „Tut er aber nicht.“ Franz beginnt nachzudenken. Warum verhält sich der starke große Elefant so. Er hat sich in sein Schicksal ergeben. Nur der kleine Elefanten muss ernsthaft angebunden werden.
Franz merkt in dem großen Elefanten stecken Kräfte, von denen dieser nichts mehr weiß. Seine Erfahrungen haben ihn dazu gebracht zu glauben, sobald er an der Kette liegt, kann er nicht weglaufen. Jetzt merkt Franz, dass bei ihm etwas ähnliches passiert ist. Früher glaubte er noch alles zu können, alles bewegen zu können, alles verändern zu können. Heute ist er vorsichtig, heute traut er sich manches nicht mehr. Manchmal ist das ja gut wenn man sich nicht mehr alles traut, man wird achtsamer und das hat einen gewissen Schutz. Aber es engt auch unheimlich ein. Heute kommt er sich vor wie jemand, der gar nicht weiß,was er wirklich alles kann und sich nicht mehr traut Neues auszuprobieren.
(Kette mit gelben Tuch in der Mitte auf den Boden legen, außen schwarze Tücher)
Es gibt Zeiten, und das kennen sie vielleicht auch aus ihrem Leben, da läuft alles wie gewohnt, da muss man nicht groß nachdenken, da läuft alles in einem gewissen Trott. Da weiß man morgens schon , was der Tag bringt und fängt erst gar nicht an nachzudenken, was denn sonst noch passieren könnte oder was man selber noch anders machen könnte. Aber dann gibt Zeiten, da ist plötzlich alles anders da weiß man nicht mal ein und aus, da verändert sich so viel auf einmal. Man wird orientierungslos, fragt sich hin und her, was denn richtig und sinnvoll zu machen ist. Und das geht nicht nur einzelnen Menschen so, das gilt auch für die ganze Gesellschaft. Ich erinnere mich an die 50er 60er Jahre in den ich aufgewachsen bin. Bis kurz vor Ende der 60er hat sich ja kaum was verändert, die allgemeine Vorstellung: die Amerikaner sind unsere Freunde die Russen unsere Gegner, alles war politisch klar und der wirtschaftliche Aufschwung nahm alle voll in Beschlag. Und dann wie von einem Tag auf den anderen und kamen plötzlich die wilden 68er ,70er Jahre. Plötzlich wurde alles in Frage gestellt, die Werte veränderten sich. Die Amerikaner zerbombten Vietnam und waren nicht mehr uneingeschränkt unsere Freunde. Die Wirtschaft kam ims stocken, Arbeitslosigkeit stieg an. Homosexualität, bis dahin gesetzlich verboten wurde gesellschaftsfähig. Und zu all dem musste sich dazu positionieren, selbst wenn man nicht selbst betroffen war.
Ich kann mir vorstellen, dass viele von uns die jetzige Situation so ähnlich empfinden. Durch die Corona Pandemie hat sich vieles verändert, was vorher selbstverständlich war. Selbstverständlich waren Familientreffen, selbstverständlich war das man an seine Alten besuchen konnte, selbstverständlich war dass man reisen konnte, selbstverständlich war, dass man feiern konnte mit wem man wollte. Das alles ist nicht mehr selbstverständlich und wir wissen nicht für wie lange. Ich bin ja so ein bisschen Statistiker und habe ausgerechnet, wenn wir weiter die niedrige Ansteckungsrate so haben wir hier im Norden wird uns die Pandemie noch viele Jahre beschäftigen.
Viele Menschen fordern deshalb auch schon eine ganz andere Moral, ein ganz anderes Umgehen miteinander, ein neues Denken. Viele sagen die Krise könnte uns etwas lehren, es könnte sozusagen ein Fingerzeig sein in welche Richtung wir uns bewegen müssen. Dass wir nicht überall auf der Welt rumreisen müssen dass das Schöne manchmal vor der Haustür liegt. Das in kleinen Treffen von wenigen Menschen manchmal mehr passiert und intensiverer Austausch stattfindet als in großen Ansammlungen von Menschen, die alle dasselbe konsumieren.
Unser heutiger Bibeltext legt hingegen nahe, auf das zu achten, was uns gegeben wurde und bereits in uns liegt.
5. Mose 11 Denn das Gebot, das ich dir heute gebiete, ist dir nicht zu hoch und nicht zu fern. 12 Es ist nicht im Himmel, dass du sagen müsstest: Wer will für uns in den Himmel fahren und es uns holen, dass wir’s hören und tun? 13 Es ist auch nicht jenseits des Meeres, dass du sagen müsstest: Wer will für uns über das Meer fahren und es uns holen, dass wir’s hören und tun? 14 Denn es ist das Wort ganz nahe bei dir, in deinem Munde und in deinem Herzen, dass du es tust.
Unser Bibeltext entstand in so einer Zeit, als alles sich veränderte. Die Menschen waren aus Babylonien zurückgekehrt und kamen in ein Land, dass ihnen fremd war. So vielleicht wie viele nach dem Krieg nach Westdeutschland, die aus dem Osten geflohen sind. Sie kamen in ein Land, das sie kaum kannten. Sie wurden nicht mit offenen Armen aufgenommen. Und so erlebten es die Rückkehrer aus Babylon auch. Es gab keinen Tempel, es gab keine Priester, die Religion war weg, die Kultur hatte sich verändert. Denn unter persischen Einfluss war nichts so wie früher, man konnte an nichts anknüpfen und war doch zurückgekehrt in dem Glauben und in der Hoffnung mal würde in das gelobte Land kommen. Nun kommt man in ein fremdes Land. Viele haben sicher damals auch geglaubt, es wäre nötig alles Neu zu denken und sich den neuen Gegebenheiten anzupassen. Neue Regeln für das Zusammenleben aufzustellen! Neue Gottesbilder zu entwerfen. Ganz anders von Gott zu reden als bisher. Vielleicht sogar einen neuen Gott anzubeten.
Aber die Juden hatten in Babylon das wichtigste bewahrt: die Thora, die alten Geschichten vom Auszug aus Ägypten, von Abraham von Moses und man hatte an jedem Sabbat sich diese Geschichten immer wieder erzählt. Man hat erlebt, man braucht keinen Tempel um Gott zu verehren. Man war jahrelang ohne Tempel und Priester ausgekommen, jahrzehntelang.
Unser Text wollte den Juden damals Mut machen. Sie hatten die Worte der Thora: „Liebe Gott und deinen Nächsten wie dich selbst“ jahrelang im Exil bewahrt. Eine bewährte Regel für jeden Menschen als Orientierung. Sie brauchen keine neuen Gottesbilder, sie brauchen erst recht keinen neuen Gott, keine neuen Regeln, keine neue Kultur. Alles was sie brauchen hat Gott längst ihr Herz gelegt. Mit dem was sie mitbringen ist alles da in ihren Herzen.
Und heute? Auch wir wissen was richtig ist, wir wissen was gerecht ist, wir wissen was gut ist. Wir brauchen keine neuen Gottesbilder und erst recht keinen neuen Gott. Ich denke es ist doch heute so, alles was jetzt zu tun ist, wissen wir längs.Wir brauchen keine neue Moral, wir müssen das, was längst bekannt ist nur umsetzen. War die Erkenntnis, dass man nicht überall hin reisen muss, sondern das Schöne oft vor der Tür liegt denn vor Corona nicht auch richtig? War der intensive Austausch in kleinen Gruppen nicht auch vor Corona wertvoller als der Genuss von Massenveranstaltungen?
Heute wissen wir um die Not der Flüchtlinge, sie nehmen den Tod im Mittelmeer in Kauf. Sie leben in Lagern und nehmen das alles auf sich in der Hoffnung auf ein besseres Leben, was ihr hier in der EU verwehrt wird. Wir sehen dass sie unseren Schutz und unsere Hilfe benötigen.
Heute wissen wir, dass das Klima immer wärmer wird und kennen unseren CO2 Ausstoß und trotzdem reduzieren wie ihn so langsam, dass kaum etwas davon merkbar ist. Wir brauchen keine neue Moral, sondern nur das tun, was unser Herz uns sagt.
Und bezogen auf die Corona- Debatte: wir verdanken der Reformation eine Gotteserkenntnis, die uns davor bewahrt hat Corona als Strafe Gottes zu denken. Im ausgehenden Mittelalter hat man Passionsspiele begonnen, um Gott umzustimmen, als die Pest ausbrach. Heute suchen wir eher nach einem Impfstoff und nach gemeinsamen Regeln, um die die Pandemie einzudämmen. Luther hat immer wieder die Freiheit des Christenmenschen in den Mittelpunkt gestellt. Aber sie endet logischerweise dort, wo sie anderen Menschen schadet und sie gefährdet. Ich staune, wie gerade die Kirchen nach sturen Regeln arbeiten, statt sich auf das verantwortunsvolle Handel ihrer Mitglieder zu verlassen. Ich habe Gottesdienste in großen Räumen für mehr als 100 Personen erlebt, wo 4 Menschen saßen, die laut Landesgesetz nicht singen durften. Unsere Gottesdienste als Großveranstaltungen darzustellen grenzt in den meisten Gemeinden an anmaßende Übertreibung. Mir graut vor Weihnachtsgottesdiensten , an denen man Menschen an der Tür abweist: Kirche voll. Oder schlimmer noch reserviert für häufige Gottesdienstbesucher, wie es Frau Schwaetzer, Präses der EKD angedacht hat. Dann lieber draußen im Wald vor einer großen Tanne mit einer liebevoll gebauten Krippe und warmen Getränken, aber offen für alle.
Aber warum meinen manche Menschen, ohne Mundschutz in großen Gruppen zusammen kommen zu können? Denken sie nicht nach über die Gefahren für ihre Mitmensche. Hat Gott vielleicht doch nicht seine guten Regeln in alle Herzen gelegt? Das deutsche Sprichwort: „Was du nicht willst das man dir tu, das füge keinem anderen zu“ oder besser noch die positive Fassung davon aus der Bergpredigt:“Was du willst das man dir tu, das füge deinem Nächsten zu“ ist eigentlich für jeden Menschen einleuchtend. Zumindest wenn er den ersten Satz der Verfassung der USA akzeptiert: „All men are created equal“-“Alle Menschen sind mit gleicher Würde erschaffen“, denn dann steht logischerweise alles, was ich erhoffe auch allen anderen zu. Aber seit man sich nicht mehr sicher ist, ob selbst der Präsident der USA noch seine Verfassung kennt, staunt man nur, wie so einfache Regeln, die von Menschen aller Religionen und aller Regionen dieser Welt anerkannt werden, für einige scheinbar nicht mehr gelten
Vielleicht ist manches Gute im Herzen nur verschüttet. Durch die Ketten unserer negativen Erfahrungen. Durch grausame Erfahrungen in der Kindheit. Durch schlechte Vorbilder. Durch schwere Entbehrungen und Verluste. Aber auch durch die Medienflut, der man heute ausgesetzt ist und die einem die Auswahl schwer macht. Meist können wir unsere Ketten nicht selber aufbrechen. Aber manchmal dringt etwas von außen ein, ein Wort, ein Erlebnis, ein hilfreicher Mensch, ein Spiegelbild in den Wolken. Dann kann sich die Kette verbiegen und etwas von unserem Ursprung, was verschüttet war, kommt wieder zum Vorschein.
(gelbes Tuch unter eingedrückter Kette hervorziehen über das schwarze Tuch)
Eine kleine Geschichte kann das verdeutlichen:
Ein alter Indianer saß mit seinem Enkel am Lagerfeuer. Es war bereits dunkel geworden und das Feuer knisterte, während Flammen in den Himmel züngelten. Der Alte sagte nach einer Zeit des Schweigens: “Weißt du mein Enkel, wie ich mich manchmal fühle? Es ist als ob zwei Wölfe in meinem Herzen gegeneinander kämpfen. Einer der beiden ist grimmig und zornig und hoffnungslos. Der andere hingegen ist freundlich, motiviert und optimistisch.“ Der Junge lauschte gespannt. Nach einer Weile des Schweigens fragte er nachdenklich: “Und welcher der beiden wird den Kampf gewinnen?“ Es verstrich ein Moment der Stille. Dann erwiderte der Alte: „Der Wolf, den ich am meisten füttere“.
Und vielleicht sollten wir uns alle öfter mal fragen: „Womit kann ich den guten Wolf füttern? Oder auch – wie kann ich den grimmigen Wolf aushungern“
Wer offen für Gottes Wort ist, füttert sicher den richtigen Wolf.